Festzug

Festzug

Weit über tausend Bürgerinnen und Bürger in originalgetreuen Kostümen

Den Festzug führt der reichsstädtische Herold zu Pferd an.

Der Herold, dessen Name sich vom "Heriowaldo" d.h. Heerwalter ableitet, war ursprünglich ein Dienstmann an Fürstenhöfen, der die an den Turnieren teilnehmenden Ritter anhand ihrer Wappen auf ihre Turnierfähigkeit prüfte. Sein Tätigkeitsfeld erweiterte sich mit der Zeit. So rief er bei Festlichkeiten die Gäste aus, wirkte bei völkerrechtlichen Akten mit, so bei Kriegserklärungen oder der Verkündigung des Friedens. Äußerlich kennzeichnet Ihn der Wappenrock, auf dem das Wappen der Reichsstadt eingestickt ist, und der Heroldstab. Er hatte die Aufgabe, den schwedischen Gesandten sicher zum Rat und zurück ins schwedische Lager zu führen.

Das Signal des schwedischen Trompeters verkündete, daß Dinkelsbühl in schwedischer Hand ist.

Schwedischer Trompeter

Ihm folgt der schwedische Hauptmann, der im Festspiel dem Rat die Aufforderung zur bedingungslosen Kapitulation überbrachte. Er wird von weiteren Schwedenoffizieren zu Pferd begleitet. Ihre verschiedenfarbigen Schärpen geben Aufschluß über den Truppenteil, dem sie angehören.

Schwedischer Hauptmann

Etwas abgesetzt von den normalen Offizieren erkennt man den Obrist Klaus Dietrich von Sperreuth. Er war ein Söldnerführer, der sich von dem Kriegsherren anheuern ließ, der Ihm die günstigsten Bedingungen versprach. In seinem Falle war dies der schwedische König Gustav Adolf. Sperreuth hatte absolute Macht über seine Soldaten, ernannte die Offiziere und zahlte den Soldaten ihren Sold, allerdings erst nach der Schlacht. 1635 wechselte er die Fronten und stand als Generalwachtmeister in bayerischen Diensten. Nach dem 30-jährigen Krieg stellte er aus brotlos gewordenen Söldnern ein Regiment zusammen, um für die Seerepublik Venedig auf Kreta einen erheblichen Teil der Operationen gegen die Türken zu befehligen. In unserem Festspiel ist er der großmütige Sieger, der die Stadt um der Kinder willen vor der Plünderung verschont.

Obrist Klaus Dietrich von Sperreuth

Ihm folgen weitere Schwedenoffiziere, die zum Regimentsstab gehören;

ein Oberstleutnant,

ein Oberstwachtmeister,

ein Quartiermeister etc.

Das schwedische Pfeifer- und Trommlerkorps spielt in der gesamten Kinderzechwoche eine wichtige Rolle.

Die aus ihm rekrutierte Gruppe der Rauschpfeifer spielt im Schwedenlager auf. Die Schwedenpfeifer begleiten die Tänze des Zunftreigens.

Sie stellen somit eine wichtige Klammer zwischen Reichsstadt und Schweden dar.

Schwedisches Pfeifer- und Trommlerkorps

Der schwedischen Infanterie voraus schreitet der schwedische Fahnenträger.

Fahnenträger

Die schwedische Flagge kann man von der Fahne der Kalmarer Union von 1397 (in der sich die Reichsräte der drei nordischen Königreiche vereinigen, Schweden lehnt jedoch das dänische Unionskönigstum ab) herleiten (Regierungszeit von Königin Margarete). Es trägt die drei goldenen Kronen des schwedischen Wappens auf blauem Grund.

Schwedischer Fahnenträger

Soldaten

Das schwedische Fußvolk ist mit Lanzen und Musketen ausgerüstet. Diese sind 125 bis 144 cm lang, 4 bis 7 kg schwer, mit einem Kaliber von 19 bis 20 mm. Die Schußweite betrug 200 bis 300 Meter. Die Soldaten mußten die schweren Musketen zum Abfeuern auf einen Gabelstock aufstützen. Die Lunte und zwei Pulverflaschen, eine mit feinem Zünd-, die andere mit grobem Laufpulver, vervollkommnen die Schießausrüstung. Dazu trugen sie noch einen Degen und einen Dolch. Einige der Infanteristen sind bereits mit einem Steinschloßgewehr ausgerüstet. Dieses kann seinen Zündfunken selbst erzeugen. Das mühsame Hantieren mit der Lunte entfällt, und die Ladegeschwindigkeit erhöht sich beträchtlich.

Feldarzt

Wo gekämpft wird, gibt es Tote und Verwundete. Um diese kümmerte sich der Feldscher. Diese war ein ausgebildeter Arzt. Für die Versorgung der Verwundeten standen Ihm umfangreiche Gerätschaften zur Verfügung. Wir erkennen Instrumente, um die Tiefe der Wunde Festzustellen, Instrumente für chirurgische Eingriffe, Knochensägen um zerschossenen Gliedmaßen abzunehmen, Messer, Scheren, Zangen. Mit Nadel und Faden wurden die Wunden geschlossen, Verbände mit heilenden Flüssigkeiten getränkt. Seine reizende Begleiterin hat sicher manchen Verwundeten wieder aufgerichtet.

Pikeniere

Die Pike, ihre auffälligste Waffe, hat den Pikenieren den Namen gegeben. Diese Pike ist ein 6 Meter langer Spieß, oben mit einer kleinen Spitze, unten mit einem stumpfen Metallbeschlag versehen, um die Pike in die Erde zu stecken. Als zusätzliche Waffe führen sie das Schwert. Sie tragen eine Halbrüstung, bestehend aus dem Birnenhelm, dem sogenannten Morion, den Brustpanzer und einen Beinschutz. Ihre Marschordnung, geordnet mit hochgereckten Piken, verrät, daß sie sich in vorbereitender Angriffsstellung befinden. Sie hatten in der Schlacht drei Aufgaben: 1. Das Decken der nachladenden Musketiere. Hatten die Musketiere ihre Waffen abgefeuert, so rückten die Pikeniere vor die nachladenden Musketiere und zogen sich wieder hinter deren Linien zurück, sobald der Ladevorgang beendet war. 2. Ihre zweite Aufgabe war das Abwehren von Reiterangriffen. Sie bildeten dazu eine versetzte Zweierreihe, senkten die Piken, stellten sie am rechten Fuß ab und hielten sie mit der linken Hand. Mit der rechten zog der Pikenier das Schwert, damit er, wenn die Pike brach, noch verteidigungsfähig war. Gerade die Abwehr von Reiterangriffen war äußerst verlustreich. Daher wurden die Pikeniere mit der Zeit immer mehr durch Musketiere ersetzt. Diese hatten durch ihre Feuerkraft bessere Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten. 3.Ihre dritte Aufgabe war der Angriff auf Fußtruppen

Henker

Als Schweden 1630 in den 30jährigen Krieg eingriff, um das Deutsche Reich vor der Tyrannei der Habsburger zu befreien und den Protestantismus zu retten, aber besonders auch, um Mecklenburg und Pommern zu erobern und dadurch die schwedische Herrschaft über den Ostseeraum zu erweitern, konnte sich Gustav Adolf auf ein diszipliniertes Herr stützen. Die Kriegsumstände, Verrohung der Truppe und Anwerben von Söldnern untergruben jedoch die Moral. Nur durch drakonische Strafen konnte die Disziplin im Feldlager aufrechterhalten werden. Diese Umstände dokumentiert die Scharfrichtergruppe. Wer angeworben war und Handgeld genommen hatte, verfiel dem Kriegsrecht. Wer desertierte, wurde mit dem Tode bestraft. Wir sehen hier so einen Unglücklichen, der seiner Hinrichtung entgegensieht. er wird begleitet von einem Geistlichen, dem Henker und dem Henkersknecht. Das Kriegsrecht regelt auch die Verteilung der Beute. Bei einer Eroberung standen dem Feldherrn alle Geschütze zu, die gesamte Munition und der Proviant. Daher versuchten die Unterlegenen diese Dinge zu vernichten. Geschütze etwa wurden vernagelt, d.h. ein Nagel wurde ins Zündloch getrieben. Alle anderen Dinge erhält der, der sich ihrer zuerst bemächtigte.

Plattenharnisch, Musketen, Kanonen und Pulverfass

Kürassiere

Die Kürassiere tragen volle Rüstung. Dieser Plattenharnisch schütze vor Pistolen- und Musketengeschossen. Die Eisenreiter, auch Kürassiere genannt, sind mit Pistole und dem Pullasch, einer Hieb- und Stichwaffe ausgerüstet.

Kanonen

Die Kanone ist ein Nachbau eines noch vorhandenen Geschützes, das 1542 von dem Nürnberger Geschützgießer Endres Pegnitzer gegossen wurde. Sie trägt den treffenden Namen "Dinkelbäuerlein" und wird vom Stadtwappen geziert. Dieses letzte Relikt der reichsstädtischen Bewaffnung ist noch im Museum zu sehen. Das dazugehörende Pulver wird im Pulverkarren transportiert, feines Zünd- und grobes Laufpulver. Auch die Musketiere konnten hier Pulver nachfassen.

Pulverkarren und Heereszahlmeisterei

Nach dem Pulverkarren sieht man die Heereszahlmeisterei. Die Pfennigmeister zahlten den Landsknechten den Sold aus, allerdings erst nach der Schlacht. Den Sold der inzwischen Gefallenen erhielt der Feldherr.

Vielen der durch die Kriegswirren entwurzelten Menschen bot der Troß eine, wenn auch unsichere, Heimat.

Marketenderwagen

Aus dem Marketenderwagen verproviantierten sich die Soldaten. Er ist einem Originalwagen aus dem 30jährigen Krieg aus dem Reichsmuseum in Stockholm nachgebaut. Die Marketenderinnen und Troßkinder sind die Angehörigen der Soldaten. Jedem Heer des 30jährigen Krieges folgte der Troß. Er war etwa doppelt so stark wie das Heer an sich.

Bauer mit Kuh und der Geißführer

Einen weiteren zivilen Akzent setzen der Bauer mit Kuh und der Geißführer. Sie führen uns das Schicksal der Dorfbevölkerung vor Augen, die häufig schutzlos der wütenden Soldateska ausgesetzt waren. Um weiter existieren zu können, haben sich diese Landsleute dem Troß angeschlossen.

Marodeure

Als entwurzelte, haltlose Plünderer waren die Marodeure verschrien. Ihr Name leitet sich von einem Oberst Merode ab. Er stieß mit einem neu ausgehobenen Regiment aus Kranken, Invaliden und Lahmen zum Heer. Grimmelshausen sagte von ihm in seinem Simplicissimus: "Sie säen nicht, sie ernten nicht, kommen auch nie in eine Schlachtordnung und unser himmlischer Vater ernährt sie doch." Aus Merodebröder wird schließlich der Name Marodeure. Dieser Name bürgert sich dann ein, um versprengte Truppenteile, Nachzügler, Zusammenrottung von Deserteuren und ähnliches zu bezeichnen. Sie entwickelten sich zur Landplage und waren eine richtige Geißel des Krieges. Ihre Zusammensetzung war international, was auch an dem vorüberziehenden Trupp abzulesen ist. Ein Kroate, ein Ungar und ein Schotte sind auch darunter. Demonstrativ mißachten sie alle Gesetze und Spielregeln, nehmen die rot-weiße Dinkelsbühler Fahne ab und ziehen die blau-gelbe schwedische auf. In einem Wagen führen sie ihr Beutegut mit. Die Marodeure beschließen den schwedischen Teil des Festzuges.

Daraufhin beschließt sie, mit allen Kindern der Stadt dem schwedischen Feldherren entgegenzugehen...

Kinderlore

Den reichsstädtischen Teil des Festzuges führen zwei Stadtknechte an. Ihre Uniformen sind in den Stadtfarben rot und weiß gehalten. Sie dienen quasi als Hinführung zum Hauptthema der Kinderzeche, zur Kinderlore und ihrer Gruppe. Im Festspiel wird ihre Tat lebendig. Sie hört vom schwedischen Parlamentär, daß der Schwedenobrist Sperreuth die traurige Kunde vom Tod seines Söhnchens erhalten hat. Daraufhin beschließt sie, mit allen Kindern der Stadt dem schwedischen Feldherren entgegenzugehen, an der einen Hand einen blonden Buben, an der anderen Hand ein Mädchen. Dieser Bub gleicht dem eigenen, verstorbenen Kind des Obristen und er verschont die Stadt um der Kinder willen. Mag die Erzählung von der Kinderlore auch Legende sein, ihre Tat ist zeitlos. Sie zeigt Zivilcourage auch vor einem übermächtigen Feind.

Bürgermeister und Rat der Stadt

Der Loregruppe folgen die Bürgermeister und der Rat der Stadt. Zur Zeit des 30jährigen Krieges hatte die Reichsstadt Dinkelsbühl drei Bürgermeister. Jeder von ihnen regierte die Stadt für 4 Monate im Jahr. Die Ratsherren setzten sich je zur Hälfte aus Patriziern und Handwerksmeistern zusammen. Katholisch sind sie alle. Die katholische Minderheit dominierte als politisch seit 1552 die evangelische Mehrheit. Das Festspiel dokumentiert ihren zermürbenden Entscheidungsprozeß, die Stadt den Schweden zu übergeben, da kaiserlicher Ersatz ausblieb.

Bürger

In der Bürgergruppe herrschte große Freude über die Verschonung der Stadt vor Zerstörung und Plünderung. Die mittelalterliche Gesellschaft war ständisch gegliedert. Die vier Stände waren Adel, Geistlichkeit, Bürger und Bauern. Diese hierarchische Gliederung setzte sich auch innerhalb eines jeden Standes fort. Und so erkennt man auch innerhalb unserer Bürgergruppe einfach und gehobene Bürger, Patrizier, Handwerksmeister und Ackerbürger.

Der Stadthauptmann zu Pferd und der Stadtleutnant führen die Gruppe der Stadtknechte an. Leichter und nicht so einheitlich bewaffnet war die Dorfhauptmannschaft.

Stadthauptmann, Stadtleutnant und Stadtknechte

Der Stadthauptmann zu Pferd und der Stadtleutnant führen die Gruppe der Stadtknechte an. Sie nahmen Polizeiaufgaben in der Reichsstadt wahr. Sie sorgten für Ruhe und Ordnung, standen Wache an den Toren und kontrollierten die Ein- und Ausfahrenden. Um der Sicherheit der Bürger wegen wollte der Rat der Stadt wissen, wer sich in ihren Mauern aufhielt. Jeder Bürger der Stadt mußte diese verteidigen. Jeder Zunft war ein Abschnitt der Stadtmauer zur Verteidigung anvertraut. Die Hauptwaffe der wehrfähigen Bürger war der Spieß. Daher nannte man diese verteidigungsbereiten Bürger "Spießbürger", eigentlich eine Ehrenbezeichnung.

Dorfhauptmannschaft

Leichter und nicht so einheitlich bewaffnet war die Dorfhauptmannschaft. Sie ist auch Beleg für die enge Verbindung zwischen Stadt und Land. Der Dinkelsbühl direkt umgebende Landbesitz war relativ klein und hätte die Ernährung der Reichsstadt nie sichergestellt. Die Stadt, das Spital, andere Stiftungen, wohlhabende Bürger und der Deutsche Orden hatten Liegenschaften auf dem Land gekauft. Somit reichte der Streubesitz Dinkelsbühl´s im Norden bis Erzberg, im Westen bis Bergbronn und im Süden bis Greiselbach. Dieser Streubesitz konnte ganze Dörfer umfassen, oder auch nur wenige Gehöfte einer Ortschaft Die wehrfähigen Männer dieser Höfe waren in Dorfhauptmannschaften eingestellt und kamen der Stadt in Not- und Kriegszeiten zu Hilfe. natürlich konnten sie auch ihre Dörfer verteidigen. Auf ihren drei Gespannen führt die Dorfhauptmannschaft Versorgungsgüter und Kriegsmaterial mit.

Sie tragen jetzt Rokkokouniformen. Dies soll auch an die letzte Phase der reichsstädtischen Herrlichkeit erinnern.

Knabenkapelle

Ein Aushängeschild unserer Stadt ist die Knabenkapelle. Sie wurde 1868 von Kantor Wiegand gegründet. Die Knabenkapelle kann jedoch eine viel längere Tradition nachweisen. Schon 1552 werden die "Buben Bauckenschläger" erwähnt. Als im 17.Jahrhundert die Schulkinder zur Stadt hinauszogen, um den Beginn der Ferien zu feiern, wurden sie "altem Herkommen nach" von eigenen Trommlern begleitet. Weitere Instrumente kamen hinzu, und so entstand über Jahrhunderte hinweg die Knabenkapelle, so wie sie jetzt vorbeimarschiert. Bis zum Ende des letzten Jahrhunderts trugen die Buben noch schwedische Uniformen mit großen Schlapphüten. Als 1897 das Festspiel erstmalig aufgeführt wurde, und die Erwachsene zu Akteuren wurden, mußten Knabenkapelle und Knabenbataillon folgerichtig umgestaltet werden. Sie tragen jetzt Rokkokouniformen. Dies soll auch an die letzte Phase der reichsstädtischen Herrlichkeit erinnern. Heute bildet ein städtischer Musikdirektor die Knabenkapelle aus. Ihr gehören etwa 80 Aktive und 30 Rekruten an.

Knabenbataillon

Die dritten Grundschulklassen stellen das Knabenbataillon. Die rot-weiße Rokkokouniform mit schwarzem Dreispitz und Zopfperücke ist die des Infanterieregiments Baden-Durlach aus der 1.Hälfte des 18.Jahrhunderts. Diesem Regiment mußte Dinkelsbühl ein Kontingent liefern. Der "kleine Obrist" zu Pferd ist die herausragende Gestalt des Knabenbataillons. Er erinnert an den Ferienauszug der Schulkinder. dabei durfte der beste Lateinschüler nach dem Zechausflug nach Seidelsdorf hoch zu Roß in die Stadt einreiten. Seit einigen Jahren zieht das Knabenbataillon wieder auf Anregung ihres ehemaligen Exerziermeisters Lober in eine Gastwirtschaft nach Seidelsdorf, um an diese Tradition anzuknüpfen.

Der "Kleine Obrist"

Am Ende des Festzuges wird der "Kleine Obrist" den 1848 von Pfarrer Unold-Zangmeister gedichteten Spruch aufsagen. Dieser erinnert an das Geschehen, also an die Errettung der Stadt, im Jahre 1632. Anschließend läßt er seine Heimatstadt Dinkelsbühl hochleben.

Die nun folgenden Kindergruppen stellen die Wurzel zum Ursprung der Kinderzeche her

Dinkelsbühler Schäferreigen

Die Gruppe des Dinkelsbühler Schäferreigens erinnert an die Bedeutung der Schafzucht für die Wirtschaft der Stadt. Die Schafe lieferten Wolle als Ausfuhrartikel und als Rohstoff für das bedeutende Tuchgewerbe. In der der arbeitsintensiven Textilbranche fanden viele Handwerker Lohn und Brot, wie z.B. Weber, Loder, Tuchscherer, Geschlachtgewander, Walk- und Bleichmeister. Die Bedeutung dieses Handwerkszweigs erkennt man an einem Privileg Ludwigs des Bayern von 1323. Dieses besagt, daß Dinkelsbühler Tuche nur mit Dinkelsbühler Maß nachgemessen werden durften.

Blausiedergruppe

Die Blausiedergruppe führt als Erkennungszeichen einen Karpfen mit. Merian geht im 17.Jhdt. in den Anmekrungen zu einem Dinkelsbühlstich darauf ein, daß es "soviele Teiche wie Tage im jahr gibt. Die meisten besaß das Spital bzw. andere Stiftungen, die Stadt, das Handwerk, andere reiche Privatleute. Ein Fischmeister war dafür verantwortlich, daß an jedem Tag im Jahr Fisch auf den Tisch des hauses gebracht werden konnte. Somit war der Fisch eine wichtige Nahrungsgrundlage der Stadt. Die Bezeichnung Blausieder geht auf eine archivarisch nicht belegte Begebenheit im mittelalterlichen Stadtrat zurück. Der Rat der Stadt hatte auch die Aufgabe, Recht zu sprechen. Und so mußte er sich auch mit dem Fall eines Straßenräubers befassen. Er war bereits zum Tode verurteilt, zu entscheiden war nur noch die Hinrichtungsart. Unser Ratsherr war eingenickt und wurde rüde von einem Ratskollegen geweckt, als es um Vorschläge zum Modus der Vollstreckung ging. Der sanft schlummernde Ratsherr hatte gerade von einem blaugesottenen Karpfen geträumt, als er unsanft geweckt wurde, und rief aus: "Blausieden soll man ihn". Seitdem haben die Dinkelsbühler ihren Spitznamen "Blausieder" weg.

Gerbergruppe

Hinter dem schönen Zunftzeichen der Weißgerber marschiert die Gerbergruppe. Die Weißgerber verarbeiten die feineren Häute, wie Zobel, Schaf, Hirsch, Felle und reupling (darunter versteht man das Kalb und Fohlen zwischen 1/4 und 1/2 jahr). Die Gruppe führt die Spezialwerkzeuge der Gerber mit sich. Auch der Stollmond, kein Werkzeug, sondern ein Gerät, fehl nicht. er dient der Erzeugung weichen Leders. Auch die Arbeitsstoffe Kalk und Lohe (gemahlene Rinde zum Gerben) sieht man. Die Rotgerber verarbeiten grobe Felle: Ochsen-, Kuh-, Geiß und Pferde Häute. Die Kürschner alle Felle wild lebender Tiere. Auf dem Ledermarkt in der Nähe der Paulskirche wurde mit den erzeugnissen der Gerberzunft gehandelt.

Sichelschmiede

Gegen 1350 kam es in Nürnberg zu einer harten Auseinandersetzung zwischen dem Burggrafen und der Schmiedezunft. Viele der Nürnberger Sensen- und Sichelschmiede sollen sich im Gefolge dieses Streites in Dinkelsbühl niedergelassen haben. Ihre Präsenz im Segringer- und Rothenburger Viertel ist jedoch erst ab 1412 verbürgt. Ihre Sicheln lieferten sie "schockweise", wobei ein "Schock" 60 Sicheln ist. Ihre wichtigsten Absatzmärkte waren die Messen von Nördlingen und Frankfurt. Um 1580 gab es etwa 70 Sichelschmiede. Sie beschickten eine eigene Sichelschau, für die 6225 Schock geliefert wurden, das sind 373.500 Sicheln. Dazu kamen noch mehrere Tausende Leichtsicheln und 12.000 Sensen. Sensen und Sichel stellten den 4. großen Exportzweig der mittelalterlichen Wirtschaft in Dinkelsbühl dar. Dieses Gewerbe kam jedoch im Laufe des 30jährigen Krieges wegen Rohstoffmangels völlig zum Erliegen. Im Krieg brauchte man Eisen für die Waffenherstellung.

Trachtengruppe Segringen

Die Trachtengruppe Segringen verdeutlicht einmal mehr die Verbindung von Stadt und Land. Segringen erntet auch literarischen Ruhm. So erzählt Johann Peter Hebel in seinem "Rheinischen Hausfreund" die Geschichte vom "Barbier und vom Star von Segringen". Das Dorf, aufgrund seiner Endung "-ingen" als allemanische Gründung erkennbar, ist älter als Dinkelsbühl. Daher ist es nicht verwunderlich, daß Segringen die Urpfarrei von Dinkelsbühl war. Zu ihr gehörte die erste christliche Gemeinde Dinkelsbühls. Das Besetzungsrecht, d.h. Patronatsrecht über Segringen hatte das Kloster Mönchsroth inne.

Biedermeier-Reigen

Die Bezeichnung "Biedermeier" stammt von Ludwig Eichroth und Adolf Kußmaul, Literaten aus der Zeit des Realismus. Sie sahen das Lebensgefühl der Restaurationszeit in den biederen Reimen des schwäbischen Dilettanten S.F. Sauter repräsentiert und parodierten diese als "Gedichte des schwäbischen Schullehrers Gottlieb Biedermeier" in ihren "Fliegenden Blättern". Die Zeit des Biedermeier läßt sich mit den Adjektiven brav, bescheiden, genügsam, treuherzig, moralisierend und vielleicht etwas beschränkt umschreiben. Doch dies trifft nur einen Ausschnitt der Ära des Biedermeier. Der andere ist ein politischer. Die Epoche beginnt mit der Restauration, dem Versuch der Wiederherstellung der Feudalmacht, und endet mit der Revolution von 1848. Der Einsatz des Bürgertum erhielt nicht die erhoffte Freiheit, die erhofften Rechte. Demokraten wurden verfolgt. So wanden sich Viele mehr der Privatsphäre zu, zog isch in das kleine häusliche Glück zurück. Dieses stille, bürgerliche Lebensgefühl soll der Biedermeierreigen zum Ausdruck bringen.

"Gucken Reigen"

Nicht zu übersehen ist die "Gucke", die die Mädchen des "Gucken Reigen" mitführen. Eine Gucke ist eine Tüte. Zur Kinderzeche erhält jedes Dinkelsbühler Schulkind eine mit Süßigkeiten gefüllte Gucke, die Kinderzechgucke. Sie drückt auch heute noch die Dankbarkeit der Bürgerschaft für die errettung der Stadt durch die Kinder aus. Diese Gucken sind aus farbenfrohem Papier. Die gleichen knalligen Farben wiederholen sich in den Kleidern der jungen Damen. der Dutt auf dem Kopf erinnert an die Abschlüsse der Gucke.

Schneckennudel

Die Schneckennudel ist das Kinderzech-Gebäck schlechthin.

Das Zunftwesen prägte die Gesellschaft der mittelalterlichen Stadt.

Zunftreigen und Zunfttanz

Die Zunfttanzgruppe schließt den Festzug ab. Die Zünfte kontrollierten die Qualität und Fertigungsweise der Produkte, sie entschieden, wer aufgenommen werden konnte, wer Geselle, wer Meister wurde. Seit 1387 hatten sie paritätischen Anteil am Stadtregiment.

Während der Festwoche können Sie verschiedene Tänze des Zunftreigens bewundern.

Am beeindruckensten ist sicherlich der Schwertertanz. Ein Tanz der Zünfte wurde der Waffentanz erst im 14. Jahrhundert. Im Nürnberger Stadtarchiv belegte eine Quelle von 1350 eine von Kaiser Karl V. genehmigte Aufführung von Tänzen der "Messerer mit bloßen Schwertern".

Die aufstrebende Zunft der Weber verdrängte die Schmiede auf den zweiten Platz. Sie entwickelten ihren eigenen, den Webertanz. Mit dem Niedergang der Zünfte verschwand auch ein Großteil von deren Brauchtum. Erst 1925 wurde der Schwertertanz wieder aufgeführt. Und 1928 zur Jahrtausendfeier der Reichsstadt wurden Schwerter- und Webertanz als Tänze der Meistersöhne und -töchter zusammen dargeboten.

Der Schwedisch-schottische Paartanz und die WestgÕta-Polka erinnern an das schwedische Engagement im 30-jährigen Krieg und an versöhnliche Momente des Krieges. Unbestätigten Erzählungen zur Folge soll die evangelische Jugend ins Schwedenlager zum Tanz gegangen sein. So unterstreichen der schwedisch -schottische Paartanz und die WestgÕta -Polka die Friedensbotschaft der Kinderlore.

Seit mehr als 70 Jahren, seit der Jahrtausendfeier Dinkelsbühl´s hat sich wenig am Auftritt des Zunftreigens geändert. Es sind dieselben Kleider, dieselben Schuhe, die ihren Trägern den charakteristischen schlorchenden Gang verleihen, dieselben Aufführungszeiten, und für Schwerter- und Webertanz dieselbe Melodie und dieselben Figuren.

Vernehmt ihr Leute groß und klein Was ich euch jetzt berichte

Vernehmt ihr Leute groß und klein

Was ich euch jetzt berichte;

Ich schenk euch gute Märe ein

Aus uns'rer Stadtgeschichte

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Man weiß ja wohl das schwere Jahr,

Da ließ es Gott geschehen,

Daß sie befreit ward aus Gefahr

Durch ihrer Kinder Flehen.

.

Der Feind stand dräuend vor dem Tor,

O weh! Wer hilft uns Armen?

Da drang die Bitte an sein Ohr:

"Hab doch mit uns Erbarmen!"

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Sieh hier der zarten Kinder Schar,

Wer soll uns speisen, tränken,

Willst du der Stadt, die uns gebar

Nicht Gnad' und Frieden schenken?

.

Da ward des Feindes Herz erweicht

Das Schwert fuhr in die Scheide.

Viel Mutterherzen wurden leicht

Und alles ward voll Freude.

.

Deß zum Gedächtnis feiert man

Dies Fest seit vielen Jahren

Und stimmet dem ein Loblied an,

Der uns aus Kriegsgefahren

.

Errettet hat zu seiner Zeit

Durch Kindermundes Lallen;

Er lasse sich's voll Freundlichkeit

Auch heute wohl gefallen.

.

Er gebe uns ein frommes Herz,

Und lehr' uns kühnlich treten

Vor ihn, in Freude wie in Schmerz

Für uns're Stadt zu beten.

Dinkelsbühl lebe hoch!

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Verfasst 1848 von Pfarrer Unhold-Zangmeister

Zum Ende des Festzugs singt man gemeinsam die Dinkelsbühler Festtagshymne

Schallet heute Jubellieder,

tönt von Süd, Nord, Ost und West!

Freudespendend kehret wieder

dieses frohe Jubelfest.

.

Festlich wogt die bunte Menge,

Freude winkt allüberall,

rauschend mischt sich ins Gesänge

Pauken- und Trompetenschall.

.

Um uns her ist alles Freude,

sie wird gleichsam zum Gebot,

alles drängt um uns sich heute,

Freude färbt die Wangen rot.

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Aber Unschuld, Schmuck der Jugend,

bleibt uns rein und unversehrt:

denn nur fleckenlose Tugend

gibt der Freude wahren Wert!

.

Drum, so schallet Jubellieder,

töne laut, Trompetenklang!

Freunde, Eltern, Schwestern, Brüder,

stimmt in unser´n Festgesang!

.

Immer kräftiger umschlinge

alle uns das Freundschaftsband,

und der Wunsch zum Himmel dringe:

Segne Gott das Vaterland!

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